Freitag, 27. April 2012

[Rezension] ► Peter Hoeg - Frl. Smillas Gespür für Schnee



Originaltitel: Froken Smillas fornemmelse for sne
Erscheinungsjahr: 1996 (Rowohlt)
Preis: 9,99€ (Taschenbuch)
Seiten: 516
Reihe: -
Erster Satz: "Es friert, außerordentliche 18 Grad Celsius, und es schneit."
Kurzbeschreibung

Im Kopenhagener Hafenviertel stürzt ein Junge vom Dach eines Lagerhauses. Todesursache laut Polizeibericht: ein Unfall. Smilla Jaspersen, die im selben Haus wohnt wie der Junge, sieht das anders und stellt ihre eigenen Nachforschungen an.

Rezension

Undankbare 886 Tage lang musste dieses Buch am Grund des SuB-Sumpfs darauf warten, mir endlich ins Netz zu gehen. Ich hatte es mir auf einem Flohmarkt geschnappt, weil ich irgendwann einmal die ersten Minuten des Filmes gesehen und für gut befunden hatte. Aber wie das mit den Spontankäufen so ist, hat das Interesse dann auch schnell wieder nachgelassen und so ging genug Zeit ins Land, dass ich ohne nennenswerte Erwartungen eintauchen konnte.

Und ich muss sagen, dass das hier wirklich ein Sprung in sehr kaltes Wasser war. Die Erinnerung an Ina Normans ausschweifenden, sehr bildhaften und detaillierten Schreibstil noch nicht ganz abgeschüttelt, hat mich Peter Hoeg vielleicht auch etwas unvorbereitet getroffen. Sein Stil wirkte auf mich kühl, fast schon klinisch und ich hatte das Gefühl, als wollte der Autor es dem Leser hier alles andere als einfach machen. Er gibt die Geschichte mehr wieder, als mit ihr bewusst unterhalten zu wollen und spart sich unnötige Beschreibungen. Was der Hauptperson nicht ins Auge fällt, darüber erfährt man nichts weiter und so fiel es mir schwer, mir ein Bild von den Szenen zu machen. Ich würde aber behaupten, dass das vielleicht sogar gewollt war, auch wenn es mir persönlich nicht so ganz zugesagt hat.

Durch diesen sehr fokussierten Stil hat man als Leser nämlich gar keine andere Wahl, als sich voll und ganz auf die Hauptdarstellerin zu konzentrieren: Smilla Jaspersen, Herz und Seele des Buches. In Grönland und mit einer einzigartigen Beziehung zu Eis und Schnee geboren, zieht sie nach dem frühen Unfalltod ihrer Mutter nach Dänemark und durchlebt dort eine von Auflehnung gegen alles im Allgemeinen und den Vater im Speziellen geprägte Jugend. Sie war nie einfach und das hat sich auch mit dem Alter nicht geändert. Smilla ist eine wirklich schwierige Hauptperson mit mehr als einer Ecke und trotzdem fand ich sie unheimlich interessant. Sie ist selbst ein bisschen wie die Eisberge, über die sie so viel weiß. Gezeichnet von schroffen Kanten liegt ein Großteil ihrer Persönlichkeit unter der Oberfläche und der ist mindestens so gefährlich, wie faszinierend. Man kann nicht wegsehen, wenn sie auftaucht, aber gleichzeitig bleibt sie immer ein Stück entfernt, immer ein bisschen außerhalb der Reichweite. Ich weiß gar nicht, wie ich ihre Sogwirkung in Worte fassen soll. Aber es stimmt, was bei mir unter dem Klapptext stand: Irgendwann wird es unerheblich, was sie sagt, solange man ihr nur lauschen kann. Eine großartige Protagonistin mit ganz viel Seele! Aber dadurch, dass man nur Smillas Sicht zur Verfügung hat und sie sich nicht gerade durch soziale Kompetenz auszeichnet, erfährt man leider nur wenig über die Nebencharaktere.

Die Handlung selbst beansprucht aber auch eine gehörige Portion Aufmerksamkeit für sich. Dass Jesajas Tod wohl doch nicht ganz so viel mit einem Unfall zu tun hatte, wie man Smilla von verschiedensten Seiten glauben machen möchte, ist schnell klar. Aber davon abgesehen ist man als Leser anfangs genauso ratlos, wie Fräulein Smilla selbst. Wer könnte ein Interesse am Tod eines kleinen Jungen haben? Und warum finden sich keine Spuren einer Gewalttat, obwohl es eine gewesen sein müsste? Zusammen mit der Protagonistin geht man diesen und noch jeder Menge anderer sich mit der Zeit auftuender Fragen nach und auch wenn einiges klar ist, weiß der Autor immer wieder zu überraschen. Ich will an dieser Stelle gar nichts über die Geschehnisse verraten, weil das Erkunden und Rätseln an Smillas Seite dank deren beeindruckender Auffassungsgabe einfach nur ein Erlebnis ist. Mir hat das Rätselraten und häppchenweise Aufdecken von Informationen wirklich gut gefallen und ich musste feststellen, dass sich irgendwann Smillas Misstrauen alles und jedem gegenüber auf mich übertragen hat. Es hätte wirklich die perfekte Jagd sein können, wenn nicht der anfangs erwähnte Schreibstil gewesen wäre. Für meinen Geschmack gab es einfach zu viele zähe Passagen und ein oft verwirrendes hin-und-her Springen in der Zeit. Frei nach dem Motto: Tolles Drehbuch und fähige Schauspieler, aber eine miese Kameraführung. Auch das große Finale war für meinen Geschmack etwas unbefriedigend, aber das dürfte Geschmackssache sein.  

Fazit

Ein Roman, an dem es für mich inhaltlich nur wenig auszusetzen gibt und dessen Faszination vor allem in der ungewöhnlichen Protagonistin und ihrer Sichtweise liegt. Leider geht meiner Meinung nach viel Atmosphäre und Lesefreude in der sprachlichen Umsetzung verloren.

Inhalt: ♥♥♥♥ || Atmosphäre: ♥♥♥♥♥ || Charaktere: ♥♥♥♥
Sprache: ♥♥♥♥♥ || Aufmachung: ♥♥♥♥
Lesespaß: ♥♥♥♥♥

27.04.2012

11 Kommentare:

  1. Den Film fand ich ja sehr gut, aber ans Buch hab ich mich bisher nicht rangetraut. Ich glaub aber, ich werd mal einen Blick riskieren. ;-)
    Auch wenn deine Bewertung/Fazit/Rezi jetzt nicht soo toll ausgefallen ist.

    Hast du den Film eigentlich mittlerweile gesehen?

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    1. Den Film habe ich noch nicht gesehen. Damit wollte ich warten, bis ich das Buch gelesen habe und wenn er das nächste Mal im Fernsehen läuft, dann werde ich zur Stelle sein :)
      Das solltest du auf alle Fälle. Meine Bewertung ist auch wirklich nur so schlecht ausgefallen, weil ich mit dem STil des Autors überhaupt nicht klar gekommen bin. Sonst habe ich (fast) nichts auszusetzen. Wem diese Art liegt, der dürfte hier ein kleines Goldstück vorfinden. Ich bin gespannt auf deine Meinung ^^

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  2. Mal wieder wunderschöne Rezension. :)
    Hab das Buch auch noch hier liegen...

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  3. Oooooh *rot werd* Dankeschöööön! :o)
    Kann es sein dass wir genau zur gleichen Zeit auf dem anderen Blog Kommis geschrieben haben? :D Meine Mail kam gerade als ich beim obigen Kommi auf "Senden" drückte..

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    1. Das muss wirklich Gedankenübertragung gewesen sein :D
      Ich bin gespannt, was du zu dem Buch sagst. Bei mir ist es ja wie gesagt nur wegen des Stils so "schlecht" weggekommen. Sag Bescheid, wenn du es versucht hast ^^

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  4. Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich weder vom Buch noch vom Film jemals was gehört?! o.O

    Aber echt coole Rezi! Und ganz großen Dank fürs Leser werden! *o* Livi ist ja soo begeistert von deinem Blog!!

    Ganz, Ganz, liebe Grüße, Elle.

    P.s. Die Bewertungssytem-Frösche sind ja sooooooooo süß!

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    1. Der Film ist eigentlich recht bekannt, wenn ich mich nicht täusche. Der Hype darum ist aber auch schon ein paar Jahre her.

      Wenn Livi so von einem Blog schwärmt, dann muss ich ja gucken gehen. Und sie hat nicht zu viel versprochen :) Das Lob (vielen, vielen Dank ^///^) kann ich also direkt zurückgeben!

      Dir auch ganz liebe Grüße!

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  5. Das Buch habe ich vor Jahren mal gelesen und fand es einfach nur anstrengend. Ich glaube nicht, dass ich ihm noch mal eine Chance geben werde - deine Rezi bestärkt mich jetzt auch nicht gerade darin. ;-) Aber ich mag Krimis / Thriller ja sowieso nicht so sehr...

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    1. Anstrengend, ja, ich weiß was du meinst *g* Ich mag Krimi/Thriller eigentlich sehr gerne. Aber wenn man das Genre an sich schon nicht so toll findet, dann ist dieses Buch wohl wirklich eher nichts. Ich denke für "Nicht-Fans" des Genres gibt es da "einfachere" (nicht abwertend gemeint!) bzw. unterhaltsamere Bücher.

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