Sonntag, 17. April 2011

[Rezension] ► Stieg Larsson - Verblendung



Verblendung. Millenium Trilogie,  Band 1Originaltitel: Män som hatar kvinnor
Erscheinungsjahr: 2007 (Heyne)
Preis: 9,95€ (Taschenbuch)
Seiten: 704
Reihe: Millennium #1
Erster Satz: "Es wiederholte sich alljährlich."
Klapptext

An seinem 82. Geburtstag erhält der einflussreiche Industrielle Henrik Vanger per Post anonym ein Geschenk. Das Paket enthält eine gepresste Blüte hinter Glas, genau wie in den 43 Jahren zuvor. Vangers Lieblingsnichte Harriet hatte ihm 1958 zum ersten Mal dieses Geschenk gemacht, doch dann verschwand sie spurlos. Ihr Leichnam wurde nie gefunden.
In einer letzten Anstrengung beschließt Vanger herauszufinden, was dem geliebten Mädchen tatsächlich zustieß. Er engagiert den Journalisten Mikael Blomkvist, der, getarnt als Biograf, bald auf erste Spuren stößt. Unterstützt wird er von der jungen Ermittlerin Lisbeth Salander, einem virtuosen Computergenie mit messerscharfem Verstand. Je tiefer Blomkvist und Salander in der Vangerschen Familiengeschichte graben, desto grauenvoller sind ihre Enthüllungen.

Rezension

Stieg Larssons Band eins der "Millennium"-Trilogie war wirklich eines der Bücher, auf die zu lesen ich mich unheimlich gefreut hatte. Freunde und Bekannte, deren Lesegeschmack ich eigentlich teile, hatten sich fast überschlagen vor Begeisterung und dementsprechend hoch waren meine Erwartungen an dieses Werk. Und umso größer dann leider die Enttäuschung.

Dabei, das muss ich zugeben, fing alles wunderbar an. Mit dem Schreibstil des Autors konnte ich mich sofort anfreunden. Ich bin ein großer Freund von tiefgründigen Charakteren und da die Charaktergestaltung meiner Meinung nach gerade in Krimis/Thrillern oft zu kurz kommt, war ich nach den ersten Kapiteln hier sehr positiv überrascht. Herr Larsson hat mich gefesselt mit seinem flüssigen Schreibstil und seinen detaillierten Beschreibungen von Orten und Personen der Handlung. Er hat seine Hauptcharaktere Lisbeth und Mikael noch etwas im Dunkeln gehalten und ich  hatte praktisch pausenlos den "Was könnte dahinterstecken?!"-Gedanken. Mitfiebern vom Feinsten! Doch statt den Kopfsprung von Einleitung in Richtung Handlung zu wagen, sah ich mich plötzlich mit weiteren gefühlten viertausend Vangers konfrontiert. Anstatt, dass etwas passiert, erfahre ich alles, aber auch wirklich jedes noch so kleine Detail, über nahezu jedes lebende wie auch bereits verstorbene Mitglied des (leider) gigantischen Vanger-Clans. Wer wo, seit wann, warum und auf wessen Gnade hin wohnt. Wer mit wem kann und wer nicht. Irgendwann weiß ich sogar, wer sich vom Hausmeister den Schnee schippen lässt- und spätestens jetzt wird eine kleine Stimme in meinem Kopf, die "Wozu soll das alles gut sein?" ruft, immer lauter. Und leider behält sie Recht. Denn wozu das Verschwinden Hariettes behandeln? Soll ja laut Klappentext nur der Inhalt des Buches sein. Stattdessen musste ich mich mehr als einmal fragen, worum es hier eigentlich noch ging. Krimi? Familienchronik? Wirtschaftskritik? Oder doch nur seichter Liebesroman? Es gab viele tolle Ideen, aber es ist Herrn Larsson meiner Meinung nach leider nicht gelungen, sie zu einem großen Ganzen zusammenzufügen. Stattdessen springt man von einem Ort zum anderen und muss sich ständig fragen, ob es denn wirklich von Bedeutung sein kann, wie viele Glaswände die Büros in der Millenium-Redaktion trennen. 

Auch mit den Charakteren konnte ich mich nicht anfreunden. Mikael war mir leider von Anfang an unsympathisch. Nicht nur, weil es offenbar der Trend war, in den Genuss seiner (natürlich) überwältigenden Liebeskünste zu kommen. Er blieb für mich auch einfach zu blass. Wenn er nicht gerade von seinem blomvisk´schen Spürsinn niedergeschlagen wurde, dann hat er nichts getan, das für mich auch nur ansatzweise denkwürdig wäre.
Lisbeth fand ich da anfangs noch unglaublich interessant und sympathisch. Aber irgendwann hatte ich auch bei ihr das Gefühl, dass der Autor sich völlig verrannt hatte. Es war für mich überhaupt keine klare Linie mehr in ihrem Verhalten erkennbar und ihr ganz eigener Charakter hat sich in einem "Eigentlich bin ich sozial inkompetent, aber Mikael ist so super verständnisvoll. ABER mein Leben ist so kompliziert (...)"-Kreis verloren 

Was Herr Larsson also meiner Meinung nach an Inhalt und Charakterdarstellung gespart (und nicht in die Beschreibung irgendwelcher Vangers/ Blomvisk´scher Heldentaten/Topfpflanzen verwendet) hat, das packt er in grausame Abartigkeiten. Anders kann ich es nicht ausdrücken. Ich bin eigentlich nicht zart besaitet und lese auch gerne mal blutig, wenn es denn zur Handlung und zum Buch passt. Aber die Beschreibungen der hier vorkommenden Verbrechen - und die waren leider (zwecks Kompensation mangelnder Spannung?!) zahlreich - gingen für mich weit über die Grenzen jeden guten Geschmacks hinaus .

Fazit

Vielleicht waren meine Erwartungen einfach zu hoch- erfüllt wurden sie auf alle Fälle nicht. Fehlender roter Faden, handlungstechnisch unnötige Grausam- und Abartigkeiten, sowie flache Charaktere und endlose sinnfreie Beschreibungen. Da konnte dann irgendwann auch Herr Larssons guter Schreibstil nichts mehr retten. Für mich ein heißer Anwärter für den Flop des Jahres.

Inhalt: ♥♥♥♥♥ || Atmosphäre: ♥♥♥♥♥ || Charaktere: ♥♥♥♥♥
Sprache: ♥♥♥♥ || Aufmachung: ♥♥♥♥♥
Lesespaß: ♥♥♥♥♥
10. Januar 2011


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