Donnerstag, 28. Juni 2012

[Rezension] ► Minette Walters - Der Außenseiter



Originaltitel: Disordered Minds
Erscheinungsjahr: 2007 (Goldmann)
Preis: 9,95€ (Taschenbuch)
Seiten: 512
Reihe: -
Erster Satz: "Ein toller Park war es nicht, ein Stück verdorrtes Gras am Colliton Way, knapp einen Morgen groß, auf dem die Leute aus der Gegend morgens und abends ihre Hunde ausführten."
Kurzbeschreibung

Der geistig etwas zurückgebliebene Howard Stamp wird 1970 wegen Mordes an seiner Großmutter zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, Nach drei Jahren nimmt er sich in seiner Zelle das Leben.
Dreiunddreißig Jahre nach Stamps Verurteilung rollt der junge Anthropologe Jonathan Hughes den Fall erneut auf. Gemeinsam mit der resoluten Anwältin George Gardener, die mit dem Fall vertraut ist und noch nie an Howards Schuld glauben wollte, macht er alsbald eine erstaunliche Entdeckeung. Denn wenige Tage vor der Ermordung von Howards Großmutter verschwand in die unmittelbaren Nachbarschaft die 13jährige Cill Trevelan. Bei seinen Recherchen findet Jonathan heraus, dass das Mädchen kurz vor seinem Verschwinden von drei Jugendichen vergewaltigt wurde. Kurz darauf fand man die übel zugerichtete Leiche von Howards Großmutter. Jonathan und George können nicht ahnen, wie nahe sie der Lösung um Grace´ rätselhaften Tod bereits sind- und dass der Täter sich längst in ihrem Umfeld bewegt.

Rezension

Kann es denn wirklich so schwer sein, einen Klapptext zu schreiben, der nicht nur entfernt etwas mit dem Inhalt zu tun hat? Vor Kurzem erst bin ich mit "Der Autogrammhändler" in Treibsand geraten und auch hier hatte ich mit der Hoffnung auf die Jagd zweier Hobby-Ermittler nach der Wahrheit nicht die treffendsten Erwartungen. Aber immerhin ist mir ein ähnliches Desaster erspart geblieben.

"Der Außenseiter" war mein erstes Buch von Minette Walters und im Nachhinein hatte ich mir (wie üblich wider besseren Wissens) bei all dem Lob über diese Autorin wohl etwas mehr von ihrem Schreibstil erwartet. Er ist keinesfalls das, was ich im klassischen Sinne unter "schlecht" verstehe. Die Autorin schreibt flüssig, anschaulich und vor allem Beschreibungen und Gespräche fand ich sehr gelungen. Aber trotz dieser guten Grundlage konnte sie mich in entscheidenden Momenten einfach nicht mitreißen. Action und Emotionen gingen leider fast das ganze Buch über völlig an mir vorbei und ich wurde das Gefühl nie ganz los, dass zwischen der Geschichte und mir eine dicke Plexiglasscheibe steht. Die Geschichte war angenehm zu lesen, ja. Aber das gewisse Etwas hat mir gefehlt.

Dafür wurde ich aber bei den Charakteren gleich zu Anfang positiv überrascht. Denn der weibliche Ermittlerpart George ist nicht die übliche umwerfend gut aussehende (aber früher oder später natürlich trotzdem zu habende) Wonderwoman mittleren Alters. Vielmehr ist sie eine sehr sympathische, wenn auch etwas verpeilt-verschrobene Version von Miss Marple. Sie ist schrullig, verbissen und eine "Tochter alter Schule", was Werte und Benehmen angeht und war für mich sofort ein Charakter zum Liebhaben. Diesen Typ Ermittler liebe ich einfach! Wer fährt schon seinen Aktenschrank auf dem Rücksitz mit sich? Umso weniger mochte ich da Jonathan. Vom angedeuteten Kämpfer für die Gerechtigkeit keine Spur. Stattdessen bekommt man ein - sorry - Charakterschwein serviert. Dazu die obligatorische tragische Vergangenheit, kürzliche Trennung, Migrationshintergrund, geplagte Seele, Krankheit usw... Kurzum: Er hat so ziemlich jedes Problem, das man sich nur vorstellen kann, ohne ernsthaft nach Lösungen zu suchen. Auch sympathische Nebencharaktere konnten nicht verhindern, dass er mir mit seiner Art das ganze Lesen vermiest hat.

Die Handlung selbst lässt sich in zwei Bereiche unterteilen: Krimi-Part und Erzählung der Hintergründe. Ich mag es gerne, wenn ich mehr als nur den nackten Fall verfolgen kann und die Ursache-Wirkung-Hintergrundgeschichte hat mir hier sehr gut gefallen. Ab und an war es vielleicht etwas zu viel des Schlechten hinter scheinbar brav-bürgerlichen Vorhängen. Aber insgesamt habe ich diesen Part gespannt verfolgt. Umso enttäuschender fand ich den eigentlichen Krimi-Part. Der Täter/die Täterin/das Täter ließ sich früh erraten und Spannung konnte ich bestenfalls und mit viel gutem Willen erahnen. Natürlich liegen zwischen dem eigentlichen Mordfall und dem "Jetzt" viele Jahre, aber trotzdem hätte man mehr Entwicklungen einbauen können. Man erfährt zwar nach und nach und schön geordnet alle Details, wird als Leser dabei aber nur selten überrascht. Wer es ruhig und gemütlich mag, den dürfte die Geschichte vielleicht überzeugen. Aber mir haben psychologische Raffinessen und Fallstricke gefehlt, die mein Krimiherz hätten höher schlagen lassen.

Fazit

Für mich muss ein Krimi entweder eine tolle Atmosphäre und faszinierende Hauptcharaktere, oder aber eine spannende Handlung haben und in keinem Bereich kam "Der Außenseiter" für mich über Mittelmaß hinaus.

Inhalt: ♥♥♥♥♥ || Atmosphäre: ♥♥♥♥♥ || Charaktere: ♥♥♥♥♥
Sprache: ♥♥♥♥♥ || Aufmachung: ♥♥♥♥♥
Lesespaß: ♥♥♥♥♥

28.06.2012

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