Freitag, 8. März 2013

[BuchBlubb] ► Solange die Nachtigall singt (Antonia Michaelis)



Wald. 
Idylle.
Grab.
♠Original: -
♠Verlag: Oettinger
♠Seiten: 447
♠Genre: Jugendbuch, Verschiedenes
♠Reihe: -

1st: >> Etwas war geschehen. <<
Der junge Jari feiert seinen Schulabschluss mit einer Wandertour: Vor dem Ernst des Lebens will er noch einmal ausbrechen aus der behüteten Welt seines Zuhauses voller gebügelter Hemden und gestärkter Spitzendeckchen. Doch seine Reise wird jäh unterbrochen, als er in einem abgelegenen Dorf auf Jascha trifft. Die geheimnisvolle Schönheit lädt ihn in ihr Haus mitten im Wald, jenseits der Zivilisation ein und der unerfahrene Wanderer verliert sich dort zunehmend in einer Welt der Schönheit, des Friedens und des Rausches. Aber er spürt auch, dass Jascha etwas verbirgt. Was hat es mit den Geschichten auf sich, die im nahe gelegenen Dorf kursieren? Jari gibt nichts darauf, dass man angeblich nur in Jaschas Wald hinein, aber nie mehr hinausfindet. Bis er auf die ersten Gräber stößt... Er muss erkennen, dass  der schönste Schein auch die dunkelsten Schatten erzeugt und dass manche Geheimnisse nur mit Blut bewahrt werden können.



Angeschwemmt... wurde das Buch letztes Jahr als Bachelorfrosch-Belohnungs-Buchkeks anlässlich einer (wie immer kamelienhaften *wink*) Mini-Leserunde im Bücherforum meines Herzens. Frau Michaelis hat mich mit ihrem einzigartigen Schreibstil in "Der Märchenerzähler" erfolgreich geködert und ich musste ihr neues Buch mit seinem wunderschönen Cover und der düsteren Atmosphäre einfach haben! "(...) Ein Wald mit zu vielen Gräbern (...)", wie hätte ich diesem Klapptext-Satz widerstehen können?

Abgetaucht... bin ich im wahrsten Sinne des Wortes. "Der Märchenerzähler" war mein erstes Buch der Autorin und ich glaube, ich habe noch in keiner Rezension einen Schreibstil derart in den siebten Froschhimmel gelobt. Und was soll ich sagen? Das war definitiv kein schriftstellerischer Ausrutscher gewesen. Frau Michaelis Art zu schreiben, das ist kein Stil, das ist Kunst: einzigartig, unbeschreiblich! Sie webt ein Netz aus Worten, aus dem ich nur ganz, ganz schwer wieder herausgefunden habe, weil ich eigentlich überhaupt nicht auftauchen wollte. Der Klapptext verspricht Schönheit, er verheißt einen Rausch und genau das bietet die Autorin nicht nur Jari, sondern auch dem Leser. Die Meisterin der Worte spielt mit Bildern, mit Andeutungen und Metaphern und das auf eine derart intensive Art, dass es dem Wort "atmosphärisch" eine ganz neue Bedeutung gibt. Das einsame Setting im Wald tut sein Übriges dazu, dass man der Realität ganz leicht entgleiten und völlig in der trügerischen Idylle des Buches versinken kann.


Badegäste... sind in erster Linie der junge und eher unbedarfte Jari auf seiner Reise und die in seinen Augen fast schon überirdisch schöne Jascha, die in einem einsamen Haus im Wald lebt. Der "Zeisig", wie sie ihn nennt, war für mich definitiv ein Charakter zum lieb haben, aber leider auch einer, den ich zunehmend gerne geschüttelt hätte. Von seinen Eltern behütet aufgewachsen, hat er alles, was einen etwas naiven, aber durchweg sympathischen jungen Mann ausmacht: Er ist hilfsbereit und fast schon aufopferungsvoll, ein bisschen naiv und er sehnt sich nach Freiheit und Abenteuer, nach mehr im Leben. Aber was er bekommt, darauf hat ihn kein Sonntagsessen bei gestärkten Leinentüchern und Tischgebet vorbereitet und Jari verliert sich zunehmend in Jaschas Welt von Wald, Wein und Nebel. Jascha auf der anderen Seite ist nur so greifbar, wie sie es sein will. Schwarze Spinne oder einsame Nachtigall? Jari meint Letzteres, der Leser kann sich da nie so sicher sein. Die beiden sind auf alle Fälle eine interessante Kombination, auch wenn es teilweise fast schon anstrengend war, hinter Jaschas Tausend und eine Facette blicken zu wollen. Denn Frau Michaelis hat hier etwas eingebaut, das ich sonst nur aus Filmen kannte und mich meisterhaft hinters Licht geführt hat.

Schwimmzüge... lassen sich denn auch kurz und knapp mit "Schein und Sein" beschreiben. Der Wald ist eine Bühne und Jari und Jascha sind die Hauptdarsteller in einem Stück, das mit jedem Akt ein bisschen näher am Abgrund zu spielen scheint. Jari ignoriert die Warnung der Dorfbewohner, in den Wald gehe man nur hinein und nicht mehr hinaus, und nimmt Jaschas Angebot an, gegen Handwerksarbeiten eine Weile bei ihr zu wohnen. Dass er damit alle Fäden aus der Hand gibt, ahnt zu diesem Zeitpunkt auch der Leser noch nicht. Aber tatsächlich begibt er sich in einen Irrgarten voller Geheimnisse, aus dem es keinen Ausgang zu geben scheint und bald schon stößt er scheinbar durch Zufall auf die ersten Gebeine... Was verbirgt sich hinter der Idylle aus Schönheit und Frieden? Darauf ist der Leser genau so gespannt wie Jari, doch auf einen Hinweis kommen zahlreiche Irrungen und Wirrungen und es ist nahezu unmöglich zu sagen, wessen Sichtweise die Glaubwürdigste ist. Verwirrend und anstrengend? Ein bisschen- aber auch faszinierend und fesselnd. Diese Art von Geschichte wird sicher nicht jedem gefallen und wo mancher, wie ich, ein ganz zauberhaftes Labyrinth erkunden wird, da wird ein anderer vielleicht nur eine Hecke sehen, die dringend gestutzt werden müsste. Mich persönlich hat nur leider auch hier das Ende gestört, das meiner Meinung nach wieder zu viel des Guten und zu wenig der Logik war. Außerdem hatte ich mir vergeblich mehr Parallelen zu Andersens Märchen erhofft gehabt. Insgesamt aber ein ungewöhnliches und einzigartiges Leseerlebnis.


Ein Buch, auf das man sich einlassen können und wollen muss. Worte machen die Geschichte zum Märchenwald, betreiben aber auch ein psychologisches Fallenstellen auf hohem Niveau.

Inhalt: ♥♥♥♥♥ || Atmosphäre: ♥♥♥♥ || Charaktere: ♥♥♥♥
Sprache: ♥♥♥♥♥ || Aufmachung: ♥♥♥♥♥
Lesespaß: ♥♥♥♥
08.03.2013


22 Kommentare:

  1. Das ist lustig, ich habe vorhin gerade meinen Text zu dem Buch überarbeitet und werde ihn in den kommenden Tagen veröffentlichen :D

    Wunderbare Rezension hast du auf jeden Fall geschrieben, mit genau den richtigen Worten :) Ich wollte das Buch an manchen Stellen tatsächlich stutzen, teilweise lag das daran, dass ich es an zu wenigen Tagen gelesen habe, so geballt war es mir dann doch hier und da zu viel.

    Das Ende fand ich ebenfalls fragwürdig. Einerseits etwas kitschig, andererseits kommen die eigentlichen Missetäter der Geschichte anscheinend mit allem davon.

    Was meinst du eigentlich mit "mehr" Parallelen zu Andersens Märchen? An welche hat es dich erinnert? Ich musste eher an Grimm'sche denken.

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    1. Ich hatte seit Ende letzten Jahres die Stichpunkte zur Rezi hier liegen und gestern hatte ich endlich die Strömung im Rücken und konnte das Ganze ausformulieren :D Bin auch sehr auf deine Meinung gespannt!

      Danke dir :) Ich glaube in wenigen Tagen hätte ich es auch nicht lesen wollen. Das wäre mir auch zu viel des Guten gewesen. Jeden Tag nur ein Kapitel war zwar auch hart, aber das Buch ist schon eher schwere Lesekost. Wirst du es nochmal lesen? Ich möchte eigentlich schon überprüfen, ob das wirklich so passt, wie alles letztendlich aufgelöst wurde. Mal sehen, wenn der SuB irgendwann kleiner ist :D

      Ja, das hat mich auch gestört. Außerdem fand ich die Szene in der Schlucht total übertrieben und unrealistisch :/ Da hatte ich mir echt mehr erhofft, aber scheínbar hat die Autorin keine Faible für logisch gut durchdachte Enden mit moralischer Reflektion ;)

      Grimm? Welche denn? Ich hatte an Andersens "Die Nachtigall" gedacht. (Der Kaiser, der echte Vogel und der aufziehbare, kennst du das?)

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    2. Momentan hab ich keine große Lust das Buch noch mal zu lesen, irgendwann aber vielleicht schon. Ich hab allerdings auch nicht den Überprüfdrang, da ich ziemlich schnell die Wendung am Ende erahnt habe. Dann lieber noch mal den Märchenerzähler :)

      Beim Märchenerzähler fand ich das Ende besser, da konnte man viel drüber diskutieren, da wird ja nirgendwo gesagt, dass so wie es passiert ist, vorbildlich oder richtig ist... gut bei der Nachtigall auch nicht, aber da hatte ich trotzdem das Gefühl, dass das Buch ein wenig ausdrückt "du kannst mit allem davonkommen" auch wenn das vllt nicht die Intention der Autorin war.

      Ich musste an eher unbekannte denken, so wie Blaubart oder Fitchers Vogel. Kennst du die? Das Nachtigallmärchen von Andersen sagt mir gar nichts, muss ich mir direkt mal anschauen.

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    3. Ich hatte zwischendurch mal die richtige Vermutung, sie dann aber zugegebenermaßen wieder verworfen :) Aber im Gegensatz zu dir habe ich wirklich den Überprüfungsdrang *g* Ich habe ein paar Szenen im Hinterkopf, von denen ich glaube, dass Jari gar nicht so viele Pilze hätte essen können, um das nicht zu merken. Aber einen ReRead gibts erst, wenn der SuB kleinder ist. Also iiirgendwann ;o)

      Ich fand das Ende vom Märchenerzähler mit seiner Botschaft genau so schlimm. Die "Lösung" die Abel gewählt hat, das ging gar nicht! Aber du hast schon Recht, was die Nachtigall angeht. Die Autorin hat es ja nicht so richtig mit moralischen Botschaften ;o)

      Die sagen mir leider beide nichts :/

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    4. Ich hab da vor einer Weile ein interessantes Interview mit der Autorin gelesen, wo sie ein bisschen über die Kritik, die sie bekommen hat, redet. Darin sagt sie, dass sei gar keine moralische Botschaft verbreiten will sondern einfach eine Geschichte erzählen. Solche Dinge passieren halt, das heißt nicht, dass man sie richtig finden muss. Das finde ich völlig legitim.

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    5. Für alle eventuellen Mitleser: SPOILERWARNUNG!

      Ja und nein. Auf der einen Seite finde ich es auch total in Ordnung, dass sie "ihre Geschichte erzählen" will. Wo käme man da hin, wenn jeder Autor nur noch moralisch korrekte Bücher mit moralisch korrekter Botschaft schreiben würde? (Mal ganz davon abgesehen, dass das wohl ohnehin die wenigstens davon abhalten würde, irgendeinen Mist zu machen...). Aber ich habe ein anderes(?) Interview von ihr gelesen (bzw. Auszüge davon) in dem sie im Märchenerzähler praktisch Anna die Schuld an der Bootshausszene und allem danach gibt. Und das geht für mich gar nicht :/ Das wäre, als würde man sagen, Tronke hätte ja aus dem Wald wegbleiben können oder die Vermessungsmenschen hätten ja auf die Geschichten der Dorfbewohner hören können.

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    6. Ich glaube in dem Interview, was ich gelesen habe, sagt sie, dass Anna ihn ja ständig animiert und ja auch möchte, dass etwas passiert (natürlich nicht so), meinst du das? Ich weiß nicht, ob wir genau das gleiche Interview gelesen haben (ich kann den Link mal suchen, wenn du magst), aber für mich kam es da nicht so rüber als würde sie Anna die Schuld zuschieben, das ging natürlich gar nicht.

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    7. Das müsste dann das Interview sein, glaube ich. Ich habe aber nur Ausschnitte gelesen, die jemand bei einer (ziemlich negativen) Rezi zitiert hatte. Die Aussage von dir, dass Frau Michaelis keine moralische Botschaft vermitteln wollte z.B. fehlt in der Rezi komplett ;o) Das ist lieb von dir, aber den Link brauchst du nicht heraussuchen. Ich habe meinen Frieden mit dem Märchenerzähler gemacht und meinen Stern Abzug gab es auch nicht für die Bootshausszene. Und die nächsten Bücher der Autorin werde ich sicher lesen, Ende hin oder her :D Du hast doch auch "Die Worte der weißen Königin" gelesen, oder? Lohnt sich das oder ist das eher ein Kinderbuch?

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    8. Kann ich verstehen, die Debatte ist ja wirklich schon ziemlich alt.

      Ja, das hab ich gelesen, aber das fand ich schwächer als den Märchenerzähler und die Nachtigall. Der Protagonist ist wesentlich jünger, es ist keine "junge Erwachsene" Geschichte wie die anderen beiden. Das Thema ist zwar auch nicht ohne, aber mich haben die Figuren einfach nicht so sehr interessiert, größtenteils agiert der Protagonist auch mit niemandem. Es geht viel um seine Gedanken und Naturverbundenheit.

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    9. Das ist dann glaube ich eher nichts für mich :/ Schade, dann werde ich wohl auf das nächste Buch der Autorin warten müssen. Hoffentlich geht das wieder eher in YA/A-Richtung :)

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    10. Also es ist definitiv trotzdem ein sehr gutes Buch, so rein objektiv, aber mich hat's einfach nicht so interessiert. Dich dann vielleicht auch weniger. Mich würden ja noch die Bücher, die sie für Erwachsene geschrieben hat interessieren (irgendwas mit einem Granatapfel?), aber ich hoffe auch mit dir mit, dass ihr nächstes wieder die Nachtigallerzählerrichtung einschlägt :D

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    11. Ich habe mir gerade nochmal den Klapptext angeschaut und du hast Recht, für mich hört sich das auch nicht so interessant an. Vor allem mit der Erzählperspektive von Kindern habe ich so meine Schwierigkeiten, da warte ich lieber ihr nächstes A/YA-Buch ab. Meinst du "Der letzte Regen"? Da ist auf dem Cover ein Granatapfel abgebildet. Das steht auch auf meinem Wunschzettel, weil sich der Klapptext so "Michaelis"mäßig anhört :o) Das Buch ist aber leider zumindest über Amazon nur noch über dritte Anbieter erhältlich.

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    12. Ja, genau das meine ich. Wusste gar nicht, dass das nicht mehr verlegt wird, dann muss ich mich ja ranhalten mit dem Besorgen :P

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    13. Bis vor kurzem war das glaube ich auch noch erhältlich und vielleicht bekommst du es im Buchhandel auch noch so? Aber auf Amazon 1€ für die neue Ausgabe, da kann man nicht meckern :O

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  2. Arg, ob ich je auch mal dazu komme, ihre Bücher zu lesen!? >.<
    Gerade auf den Märchenerzähler bin ich extrem neugierig, aber das hier klingt nun auch schwer verlockend.

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    1. Liest du nicht eh nur auf Englisch? Dann ist die Wahl ja nicht so schwer ;)

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    2. Manchmal (ganz selten :D) kommt dann doch auch mal was Deutsches dazwischen. Bin da noch schwer am überlegen, weil das Cover vom Märchenerzähler auf Englisch finde ich ziemlich langweilig, vor allem im Gegensatz zum Deutschen.

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    3. Egal welches, aber du MUSST Antonia Michaelis auf Deutsch lesen! Ich kann mir nicht vorstellen, dass man diesen zauberhaften Schreibstil wirklich richtig, richtig gut übersetzen kann. Und er ist soo toll, also wenn dann im Original :D
      Nur welches? "Der Märchenerzähler" ist m.E. mehr Jugendbuch, als dieses hier. Die Nachtigall ist schon recht eigen und spielt mit Leser mehr Verstecken, als ihre große Schwester. Toll sind sie beide <3

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    4. Ich denke auf Deutsch würde es auf jeden Fall erstmal Der Märchenerzähler werden, das kommt ja dieses Jahr endlich als Taschenbuch.
      (finde das ganz schön krass, wie viel Zeit die dt. Verlage sich damit lassen O_O)

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    5. Das kommt jetzt (endlich ^^) als Taschenbuch? Wusste ich gar nicht. Stimmt, da lassen sich die Verlage wirklich viel, viieel Zeit. Irgendjemand wird es sich schon noch als teureres HC kaufen... Bei manchen Büchern und Reihen gibt es ja überhaupt kein TB. Finde ich besonders schade, wenn das HC optimisch nicht genug hermacht, als dass ich dafür 20€ bezahlen würde. Da könnten sie sich von unseren englischen Freunden wirklich etwas abschauen.

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    6. Ach, die Jugendlichen habens ja, die können sich auch die teueren HCs locker leisten^^

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