Sonntag, 17. Januar 2016

[geQuakt] ► Neulich am Teichran­d... #20



... oder die Küchenwaage, der Buchladen und ich.



Bevor sich die Ersten jetzt in froher, aber vielleicht nicht unbedingt grenzenloser Erwartung zurücklehnen: nein, dieser Post wird nicht wie all die anderen. Kein "Wie ich auszog, um Küchenartikel zu kaufen und mit einem Karton voller Bücher zurückkam.", sondern vielmehr das - wortwörtliche - Gegenteil. Finde den Fehler? Ihr sagt es! Dabei hatte alles schön frosch-typisch begonnen...

"Schatz, wir (Anm. der Teich-Redaktion: d.h. ich) brauchen eine neue Küchenwaage!"

Ungelogen, versteht sich! Backen mit einer definitiv nicht geeichten 500g-1€-Dekowaage macht keinen Spaß, das dürft ihr mir glauben. Also los die Leinen, auf Richtung Stadt und dann natürlich sämtliche Fachgeschäfte mit erhöhter Chance auf Küchenartikel links liegen lassen und die Buchläden abpaddeln ! Man hat schließlich zu wenig. Tja, was soll ich sagen? Es war, gelinde gesagt, ernüchternd. Zum einen ein Wunder, dass ich noch einen nennenswerten Bruchteil meines Augenlichtes besitze, so aggressiv wie alles glitzert, leuchtet, strahlt und sticht. Aber wir hatten ja auch schon Anfang November und frostige 20°C, da durfte es natürlich weihnachtlich zugehen. Zum anderen ein Wunder, wie wenig Bücher es gab. Und damit meine ich nicht meine Originalausgabe-mit-diesen-Abmessungen-jenem-Cover-und-solchen-Sonderwunsch-Exemplare. Neuerscheinungen abseits des Mainstreams, gängige aber eben ältere Lektüre- nichts . Und nein, ich mochte nicht die 400te Wanderhure, "Girl on Train" oder was sonst noch gerade gehypet wurde, herzlichen Dank.

In den Buchladen gehen, um ein Buch zu kaufen, und ohne etwas herauszukommen?!

Das. War. Das. Ende .

Ich stand so kurz vor dem Abrund, die blutigen Details erspare ich euch. Was mich schließlich erlöst hat - falls man denn von Rettung sprechen möchte - könnt ihr euch inzwischen vielleicht denken, oder? Denn da stand sie: die Küchenwaage. Und so zog ich aus, um eine Küchenwaage zu kaufen- und kehrte unter den ungläubigen Augen meines Freundes mit einer Küchenwaage zurück. Ich meine, ernsthaft, was stimmt nicht mit der (Buch-)Welt da draußen? Immerhin war ich für die Weihnachtsbäckerei gerüstet... ..


Sonntag, 10. Januar 2016

[BuchBlubb] ► Katze, Hut und Regenschirm (Joanne Harris)



Lächle!
Lache!
Lebe!
♠EN: A Cat, a Hat and a Piece of String
♠Verlag: List (2013)
♠Seiten: 304
♠Genre: Verschiedenes
♠Reihe: -

"Würziger Pinienduft, das Rauschen des Meeres und der Zuckerguss eines Törtchens, der süß auf der Zunge zergeht." In sechzehn Geschichten entführt Joanne Harris den Leser in eine Welt genussvoller Sinneseindrücke, magischer Momente und tragischer Schicksale. Sie erinnert uns daran, wie viel schöner die Welt mit ein bisschen Phantasie sein kann...
Das erfahren zum Beispiel die rüstigen Freundinnen Faith und Hope, die vom Sommerausflug ihres Seniorenheims ausgeschlossen werden. Empört und traurig finden sie sich mit ihrem Schicksal ab- ganz im Gegensatz zu ihrem erfinderischen Betreuer Chris. Wer braucht schon den "Inkontinenz-Express", wenn er sich auf eine wundervolle, amüsante Phantasiereise an die französische Atlantikküste begeben kann? 


1st: >> Wie lieb von Ihnen, dass Sie sich die Mühe machen, uns zu besuchen. <<





Angeschwemmt... wurde das Buch von einem sehr lieben Menschen zum Geburtstag. Sie hat nicht nur selbst einen vorzüglichen Buchgeschmack, sondern weiß auch, wie glücklich man mich mit einem Buch für meine Harris-Sammlung macht. Danke dir! 

Abgetaucht... bin ich voller Vorfreude. Wie konnte ich auch anders, bei einem Buch mit Namen "Katze, Hut und Regenschirm"
♥? Es wird jetzt vermutlich jene unter euch geben, deren Augenbrauen an dieser Stelle ein misstrauisches Eigenleben entwickeln. Alle anderen wissen es besser, denn Joanne Harris und ein Titel wie dieser, das kann nur eine einzigartige Lesereise werden. Ich bin nicht der größte Fan von Kurzgeschichten, aber wenn ich dabei jemandem eine Chance gebe, dann dieser Autorin. Wer z.B. "Fünf Viertel einer Orange" oder "Chocolat" gelesen hat, dem brauche ich dazu nichts mehr zu sagen. Joanne Harris besitzt das für mich einzigartige Talent, nicht nur Atmosphäre in jeden einzelnen ihrer Sätze zu packen, sondern darüber hinaus tausendundein Gefühl und noch mehr Gedanken zwischen den Zeilen mitschwingen zu lassen. Und in genau diese Art von Geschichte(n) taucht der Leser hier ein. In kurze, aber unheimlich einprägsame Erzählungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Momentaufnahmen, Lebensgeschichten, Ein- und Überblicke; Frohmut, Liebe, Trauer, Hoffnung, (Über-)Leben, Witz und Charme- alles aufzählen zu wollen, das ist, als wolle man Wasser mit einem Sieb fangen. Ausnahmsweise muss ich deshalb dem Klapptext zustimmen: Lasst euch entführen in eine Welt genussvoller Sinneseindrücke.

Badegäste... machen diese Reise zu einem unvergleichlichen Erlebnis. Zwei rüstige Rentnerinnen, die Ungerechtigkeiten in ihrem Seniorenheim mit Witz und einer gehörigen Portion Bonny&Clyde begegnen; ein Altenpfleger, der seinen Schützlinge in ihren eigenen vier Wänden die schönsten Weltreisen ermöglicht; ein Mann, der 364 Tage im Jahr Weihnachten zelebriert; eine Mutter, die dem Geist ihres Sohnes auf Twitter folgt; ein Baby gemacht aus Zucker, Gewürzen und der Verzweiflung seiner Mutter; Kinder aus dem Kongo, die lebend überleben; Götter, Geister, Gedanken und habe ich erwähnt, dass man unmöglich in Worte fassen kann, was einen hier alles erwartet? Was ich euch aber verraten kann: Ein paar Dutzend Seiten reichen völlig aus, um den verschiedenen Charakteren Leben einzuhauchen, mit allem was dazugehört und mit noch viel mehr. Die Menschen - und ich schreibe absichtlich nicht "nur" Protagonisten - die Joanne Harris erschafft, sind allesamt irgendwie anders, ohne dass ich das so genau in Worte fassen könnte. Es sind oft Kleinigkeiten, in denen man sich wiederfindet; Träume, die man schon träumte; Situationen, die man nachempfinden kann- man fühlt sich den Charakteren einfach nahe.

Schwimmzüge... decken eine große, auf den ersten Blick zusammenhangslose Bandbreite ab. Was haben Twitter-User und obsessive Computerspieler gemeinsam mit Menschen, die um ihr Bahnhofscafé kämpfen? Wie kann nach der Geschichte einer Frau, die ihre Trauer in Kuchen und Torten erstickt, ein kleines afrikanisches Mädchen über Hunger, Leid und Kinderhandel berichten? Und was haben die Altersheim-Abenteuer zweier Rentnerinnen mit Mensch gewordenen Göttern in Manhattan zu tun? Vielleicht nichts, vielleicht alles, so genau lässt sich das nicht sagen. Mit diesen Kurzgeschichten ist es, wie mit den mehrdeutigen Bildern der Psychologie: Vermutlich sieht jeder etwas Anderes. Auf alle Fälle ist "Katze, Hut und Regenschirm" die Reise wert.


Eine ungewöhnliche, abwechslungsreiche Geschichtensammlung voller Witz, Tragik und der Magie des Alltags.
Inhalt: ♥♥♥♥ || Atmosphäre: ♥♥♥♥ || Charaktere: ♥♥♥♥
Sprache: ♥♥♥♥♥ || Aufmachung: ♥♥♥♥♥
Lesespaß: ♥♥♥♥

10.01.2016